«Eichmühle», Wädenswil: Ran an den Maibock!

Unser Autor wetzt das Messer mit Oliver Eder – und macht sich bei «Bianchi» schlau über das edle Wildfleisch.

28. Mai 2025 | Fotos: Nik Hunger

Mai ist Wildzeit! Wieso bis im Herbst war­ten? Die Wildsaison star­tet für vie­le Gourmets schon im Mai – vor allem, wenn sie Rehrücken mögen. Bereits jetzt steht näm­lich der soge­nann­te Maibock wie­der auf zahl­rei­chen Speisekarten. Und er gilt bei den Starchefs als eines der edel­sten Wildtiere über­haupt! So etwa in der idyl­lisch gele­ge­nen «Eder’s Eichmühle» ober­halb von Wädenswil, aus­ge­zeich­net mit 16 Punkten, wo ich heu­te bei der Zubereitung dabei sein kann. Und sogar mit­hel­fen darf: Oliver Eder möch­te, dass ich den Rehrücken, den er bei Bianchi Comestibles bestellt hat, pariere.

Diesen fast zwei Kilo schwe­ren Maibock-Rücken gilt es zu zerlegen.

Parieren – nicht ganz unge­fähr­lich. Einen Rücken parie­ren? Das habe ich daheim noch nie gemacht. Doch Eder, der in sei­nem Betrieb auch meh­re­re Lehrlinge aus­bil­det, zeigt mir vor­bild­lich, wie ich das fast zwei Kilo schwe­re Fleischstück von der fei­nen Silberhaut befreie und dann das Entrecôte und das Filet aus dem Rückenknochen her­aus­lö­se. «Einen Edelstahlhandschuh habe ich aber nicht», sagt er lachend. Und deu­tet damit an, dass bei die­ser Arbeit auch mal ein Schnitt dane­ben gehen kann. Auch er wird wäh­rend des Parierens nie auf der­je­ni­gen Seite des Tisches zu ste­hen, in die mei­ne Klinge zeigt.

Talentierter Küchenchef und gedul­di­ger Lehrmeister: Oliver Eder.

Fertig pariert: Entrecôte, Knochen, Silberhäute & Fett, Filets (v.o.).

Im Sommer wer­den nur Böcke gejagt. Was hat es mit dem Maibock, der auch Sommerreh genannt wird, auf sich? Auskunft gibt mir Fortunat Gregori. Der Bündner ist der Wildspezialist im Familienbetrieb Bianchi Comestibles: «Zwar sind die Rehkitze und ‑geis­sen jetzt noch geschützt – um den Bestand aber trotz­dem kon­trol­lie­ren zu kön­nen, wer­den schon im Sommer ein­zel­ne Rehböcke geschos­sen. Die Freigabe für die­se Pachtjagd ist Anfang Mai.» Das gel­te in der Schweiz und im nahen Österreich, wo die mei­ste Ware herkommt.

Fertig zube­rei­tet: Maibock mit Spargeln, Morcheln, Jus, Rosmarinöl & Spätzli.

Fleischprofis: Dario Bianchi & Fortunat Gregori von «Bianchi».

Wenig Stress & gutes Futter. Während ich ihm zuhö­re, wird mir schnell klar, was die hohe Qualität des Sommerrehs aus­macht: Es han­delt sich durchs Band um Tiere aus frei­er Wildbahn, «denn Rehe sind Einzelgänge, sie kön­nen nicht in Herden gezüch­tet wer­den.» Und: Die Jäger machen über die Sommermonate kei­ne Treibjagd, son­dern war­ten oft stun­den­lang im Hochsitz auf die männ­li­chen Rehe. Der Stress fürs Tier? Tendiert gegen null. Gregori ergänzt noch einen Punkt, der zur hohen Qualität bei­trägt: Im Sommer ernährt sich der Rehbock vor­wie­gend von fri­schen Kräutern, Gräsern und Knospen, was sich posi­tiv auf den Geschmack aus­wir­ke: «Im Herbst kommt Getreide und Mais dazu, was unter ande­rem den Fettanteil im Fleisch erhöht.»

Im Sommer sitzt man hier unter küh­len­den Bäumen: «Eder’s Eichmühle», Wädenswil.

Familienbetrieb: Senior Jürgen, Gastgeberin Debi & Küchenchef Oliver Eder (v.l.).

«Nicht schlecht fürs erste Mal!». Ich bin inzwi­schen dran, den Rehrücken von den fei­nen Silberhäuten zu befrei­en: «Du muss die Klinge etwas stei­ler gegen die Haut hal­ten», erklärt mir Oliver Eder. Danach zeigt er mir vor, wie ich an die besag­ten Edelstücke her­an­kom­me. «Du schnei­dest immer dem Knochen ent­lang! Spürst Du, wo er ist?» Wo Eder prä­zi­se Schnitte setzt, muss ich teil­wei­se ein wenig säbeln, damit mög­lichst wenig Fleisch am Knochen bleibt. «Sonst wird dar­aus ein ziem­lich teu­rer Wildfond», erlaubt sich der zuschau­en­de Fortunat Gregori einen Scherz auf mei­ne Kosten. Als dann die Knochen, die Sehnen und Häute, die bei­den Filets und das Entrecôte sau­ber getrennt vor mir lie­gen, bin ich doch ziem­lich stolz. Und: Meine Finger sind heil geblie­ben. Auch von Oliver Eder bekom­me ich Lob: «Nicht schlecht fürs erste Mal!»

Autor Böniger pariert den Rehrücken…

Spätzli von Vater Jürgen Eder. In der Küche über­nimmt der Eichmühle-Küchenchef das Zepter: Das Fleisch wird gesal­zen, scharf ange­bra­ten und kommt zuletzt für weni­ge Minuten in den 180 Grad war­men Ofen. Weil in der war­men Jahreszeit die typi­schen Wildbeilagen ziem­lich unpas­send wären, gibt es dazu – neben einem zuvor schon redu­zier­ten Jus und gefüll­ten Morcheln – zwei­er­lei Spargel: Die grü­nen Stangen sind aus Wädenswil, die weis­sen von Gian-Battista von Tscharner. «Und natür­lich gibt es dazu schwä­bi­sche Spätzli mei­nes Vaters, der mich hier noch immer unter­stützt!», so Oliver Eder.

… und isst ihn danach mit sicht­li­chem Genuss.

Butterzartes Reh-Entrecôte. Am Tisch stösst Dario Bianchi, der Co-CEO der Bianchi AG, dazu. Auch er möch­te sich den ersten Maibock des Jahres nicht ent­ge­hen las­sen. Wie gefällt das edle Fleisch? Das Entrecôte und das Filet sind but­ter­zart und kon­tra­stie­ren gelun­gen mit den noch ganz leicht knacki­gen Spargeln. Die Morcheln sor­gen für pas­sen­de pilzi­ge Nuancen auf dem Teller. Mit den Spätzli fah­ren wir alle am Tisch mit viel Vergnügen durch den Wildjus, den Oliver Eder mit noch mit grü­nen Rosmarinöl-Tupfern ver­fei­nert hat. Ich schmunz­le beim Gedanken, dass es manch­mal eben die Kleinigkeiten sind, die aus einem sehr guten ein fan­ta­sti­sches Essen machen – zum Beispiel, wenn man den Rehrücken sel­ber pariert hat! Und wenn ich es daheim noch­mals ver­su­chen möch­te? Bis wann dau­ert die Saison? «In der Regel bis Mitte August», sagt Fortunat Gregori. «Danach beginnt die Brunft. Und der Maibock ist nicht mehr all­zu bekömmlich.»