Starchefs

Geheimtipp der Chefs: Bremgartner Forellen

Quereinsteiger Thomas Rüppel führt eine Forellenzucht in einem Wohnquartier. Das Ergebnis ist verblüffend!

18. März 2023
Text: David Schnapp | Fotos: Thomas Buchwalder

Fische im Quellwasser. Für die Fische sind die küh­len Temperaturen an die­sem Morgen ide­al, aber für die Besucher, wel­che sich die Wärme der Küche gewohnt sind, ist zumin­dest war­me Kleidung von Vorteil. Auf Einladung von Luca Bianchi haben sich eine Handvoll Küchenchefs in einem Wohnquartier im aar­gaui­schen Bremgarten ein­ge­fun­den, wo Thomas Rüppel acht ver­schie­de­ne Fische – Forellen, Saiblinge oder Lachsforellen – auf­zieht. Dass die lan­gen Becken für die ver­schie­de­nen Fische in unter­schied­li­chen Wachstumsphasen sich zwi­schen Wohnhäusern befin­den, habe einen ein­fa­chen Grund, erklärt der Inhaber: «Direkt neben unse­rer Anlage befin­det sich ein Quellwasser-Zugang, womit man frü­her die gan­ze Stadt Bremgarten mit Trinkwasser ver­sorgt hat», erklärt Rüppel. Heute mache das Quellwasser den ent­schei­de­nen Qualitätsunterschied bei sei­ner Fischzucht. (Grosses Bild oben, v.l.: Benjamin Plsek, Michaela Frank, Manuel Steigmeier, Luca Bianchi, Andi Bolliger und David Heimer.)

Mitten im Wohnquartier: 130 Tonnen Fisch pro­du­ziert Thomas Rüppel in sei­ner Zucht in Bremgarten AG.

Bio-Richtlinien. Der gelern­te Architekt hat frü­her für die Swiss gear­bei­tet und unter ande­rem gan­ze Flughäfen in Indien gebaut, bis er 2003 die Fischzucht gekauft hat, in der er schon als 14-Jähriger mit­ge­ar­bei­tet hat. Aspekte wie Wirtschaftlichkeit und gute Planung waren Thomas Rüppel beim Aufbau sei­nes neu­en Geschäfts eben­so wich­tig wie hohe Anforderungen an die Aufzuchtbedingungen. Sie ent­spre­chen Bio-Richtlinien, auch wenn die Anlage nicht zer­ti­fi­ziert ist, weil das zu hohe Kosten nach sich zie­he, wie Rüppel sagt. Auf Antibiotika bei­spiels­wei­se wird ver­zich­tet und auch das Platzangebot ent­spre­che den Bio-Vorgaben. «In einem kon­ven­tio­nel­len Betrieb wür­den in Becken glei­cher Grösse fünf­mal mehr Fische schwim­men», so der Züchter.

«Langsam gewach­sen»: Fischzüchter Thomas Rüppel und Comestibles-Händler Luca Bianchi.

Nachhaltiges Wachstum. «Die Zucht von Thomas ist lang­sam gewach­sen, des­halb ist die Qualität und die Konstanz heu­te sehr hoch», sagt Luca Bianchi. Seine Firma arbei­tet seit Anfang an mit Thomas Rüppel zusam­men und belie­fert vie­le Restaurants mit ultra­fri­schem Fisch aus dem Aargau. «Ich kann nach dem Service um Mitternacht bei Bianchi Aargauer Forellen bestel­len und bekom­me sie schon am näch­sten Morgen so frisch, dass die Fische noch Totenstarre haben», sagt «Josef»-Küchenchef und ‑Mitinhaber David Heimer aus Zürich. Die Lachsforellen legt der gebür­ti­ge Schwede für zehn Stunden in Salzlake ein, danach wer­den sie über Nacht im Kühlschrank getrock­net und zum Schluss geräu­chert. «Nachhaltige Produkte in kon­stant hoher Qualität sind schwer zu fin­den. Deshalb ist eine Zucht wie die­se für uns ein Glücksfall», fin­det Heimer.

Weisse Saiblinge fürs Schloss. Nur zwei, drei Kilometer Luftlinie von der Bremgartner Fischzucht ent­fernt, betreibt Manuel Steigmeier sein Restaurant Fahr in Künten-Sulz (17 Punkte). «Die Fische fin­det man bei uns natür­lich immer wie­der im Menü. Zurzeit gibt es gera­de Bachforelle, die wir in Nussbutter bei 41 Grad kon­fie­ren und dann mit einer Meerrettich-Beurre-blanc, Rettich, Apfel und Dill ser­vie­ren. Aber 90 Prozent des Gerichts besteht aus dem Fisch», so Steigmeier. In der Zusammenarbeit mit Köchen ent­wickelt Luca Bianchi wie­der­um im Austausch mit Züchter Thomas Rüppel das Angebot. «Weissfleischige Saiblinge zum Beispiel haben wir auf Anfrage von Andreas Caminada zuerst nach Fürstenau ins Schloss Schauenstein gelie­fert», sagt Bianchi. Heute gehört der weis­se Saibling zum festen Angebot. Auch die grös­se­ren, rot­flei­schi­gen Lachsforellen sei­en auf Nachfrage aus der Gastronomie entstanden.

Nahe dran: Manuel Steigmeiers Restaurant Fahr liegt nur 2,3 Kilometer von der Zucht entfernt.
Aufmerksame Zuhörerin: Michaela Frank («Am Rank», Zürich) besucht an frei­en Tagen oft Produzenten.

Höchste Sorgfalt. Einen regen Austausch gibt es am Rand der Becken über die Frage, wel­che Bedeutung die Herkunft von Fisch und Fleisch im Restaurant mitt­ler­wei­le haben, und wie sich der Konsum tie­ri­scher Produkte ver­än­dert hat. «Wir haben Gäste, die sich zu Hause vege­ta­risch ernäh­ren, bei uns aber Fisch und Fleisch bestel­len», erzählt bei­spiels­wei­se Benjamin Plsek, seit drei Jahren Küchenchef im Zürcher «Maison Manesse» (16 Punkte) ist. Man ver­traue also dem Restaurant, dass es bei der Beschaffung der Produkte höch­ste Sorgfalt wal­ten las­se. «Wir nut­zen die frei­en Tage oft, um Produzenten oder Winzer zu besu­chen», sagt Michaela Frank, die das Kulturrestaurant «Am Rank» (13 Punkte) im Niederdorf ver­ant­wor­tet. Sie ist mit ihrem Kollegen Andi Bolliger ange­reist, der im «Rechberg 1837» (14 Punkte) in Zürich kon­se­quent nur regio­na­le Zutaten – vie­le davon von einem ein­zi­gen Hof – ver­wen­det. Die Frage, woher die Zutaten für die Küche kom­men, wer­de immer wich­ti­ger, ist Michaela Frank über­zeugt. Und bis­wei­len, das zeigt der Besuch im Aargauer Wohnquartier, kom­men die besten Produkte aus über­ra­schen nahe­lie­gen­den Quellen.