BIANCHI ON THE ROAD
Luca Bianchi & der grösste Fischmarkt der Welt
Seafood-Profi Luca Bianchi reist nach Japan an eine Thunfischauktion & geht mit den Amas auf Abalone-Suche.
Text: Kathia Baltisberger | 15. Mai 2024
RESPEKT, SORGFALT UND PRÄZISION. Luca und Dario Bianchi, umtriebige Co-CEOs der Bianchi AG und Cousins, reisen gerne in der Welt herum. Natürlich zum Vergnügen. Aber nicht nur. Jede Reise ist immer auch eine Dienstreise. Eine Suche nach Inspiration und neuen Produkten. Luca Bianchi – im Unternehmen verantwortlich für die Sparte Fisch und Seafood – ist eben erst aus Japan zurückgekehrt. Und er kommt gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus. «Das Land, die Menschen, die Kultur, die Natur und natürlich auch das Essen sind wirklich einzigartig und haben eine magische Wirkung», erzählt er nach seiner Rückkehr. Der Respekt, die Präzision und die Sorgfalt, die die Japaner im Umgang mit ihren Produkten an den Tag legen, sei aussergewöhnlich. Im Shintoismus, einer japanischen Religion, könne es schon vorkommen, dass man sich vor einem Stück Fleisch oder Fisch verneigt. «Das Produkt wird immer verehrt und gehuldigt. Das macht jede Mahlzeit zu einem besonderen Erlebnis.»
Thunfischauktion auf dem Fischmarkt Toyosu in Tokio. Diese Bluefin Tunas kommen unter den Hammer.
DER GRÖSSTE FISCHMARKT DER WELT. Luca Bianchi wollte in Japan vor allem der unglaublichen japanischen Fischqualität auf den Grund gehen und sehen, wie die Spezialitäten von Tokio in die ganze Welt geliefert werden. Die Reise führte Luca Bianchi deshalb zum Fischmarkt Toyosu. Es handelt sich um den grössten Fischmarkt der Welt und ersetzt den historischen Markt Tsukiji. Hier gibt es viel Fisch, Seafood aber auch Früchte und Gemüse werden gehandelt. «In Tsukiji konnten Touristen bei den Fischauktionen zuschauen. Heute ist das nicht mehr möglich.» Der Grund: Die Händler hatten sich beschwert, sie sahen sich in ihrer Arbeit gestört. Doch Luca Bianchi lässt seine Beziehungen spielen und schafft es, doch noch bei einer Auktion dabei zu sein. Ein Erlebnis, das er nicht so schnell vergessen wird.
Luca Bianchi und ein Thunfisch im Grössenvergleich. Der Fisch überragt den CEO von Bianchi um fast einen Meter.
Unglaubliche Vielfalt: Auf dem Fischmarkt Toyosu hat es Produkte, die Luca Bianchi noch nie gesehen hat.
LAUTE ANGELEGENHEIT. An diesem Morgen kommen Blauflossen-Thunfische unter den Hammer. Die Fische werden jeweils an den Höchstbietenden verkauft. Eine laute Angelegenheit. «Man hat fast das Gefühl, derjenige, der am lautesten ruft, kriegt den Zuschlag», scherzt Luca Bianchi. Durch einen kleinen Einschnitt an der Schwanzflosse erkennen die potenziellen Käufer, von welcher Qualität der gewünschte Thunfisch ist. Die Preise für ein Prachtsexemplar variieren stark. Von umgerechnet 10’000 bis mehreren 100’000 Franken ist alles dabei. Die Thunfische wiegen zwischen 100 und 300 Kilogramm. Luca Bianchi hat bei der Auktion gelernt: «Die Sushi-Master bevorzugen Thunfische zwischen 150 und 200 Kilogramm, weil dann das Fleisch am besten sei.»
AUF DER SUCHE NACH EXQUISITEN PRODUKTEN. Die Auktionen sind aber nicht das einzige Highlight des Fischmarkts. In der Markthalle fangen Luca Bianchis Augen an zu funkeln. «Die Vielfalt an Fischen, Meeres‑, Krutsen- und Schalentieren ist riesig. Und es gab auch Kreaturen, die ich noch nie gesehen habe. Es war der absolute Wahnsinn. Alles topfrisch und teilweise noch lebend in Aquarien.» Am meisten fasziniert haben den Fisch-Experten Seeigel – auf japanisch Uni –, Abalone-Muscheln, Krabben und japanische Spiny-Lobster. «Ich wollte genauer wissen, woher diese Produkte kommen und so machten wir einen Abstecher nach Ise-Shima.»
FRAUEN DES MEERES. Ise-Shima ist ein Nationalpark, etwa zweieinhalb Autostunden von Osaka entfernt. Von hier kommt der beste Seefood der Welt. Auch die Art und Weise, wie die Produkte aus dem Meer geholt werden, ist sehr speziell. Sogenannte Ama suchen im Pazifik nach den Delikatessen. «Ama bedeutet Frau des Meeres. Sie leben in Küstennähe und tauchen täglich in den Tiefen des Meeres. Die Tradition reicht über 4000 Jahre zurück», erklärt Luca Bianchi. «Wir hatten das Glück, dass wir mit einem Boot die Taucherinnen begleiten durften. Sie machen pro Tag bis zu 60 Tauchgänge – ohne Neoprenanzug und ohne Sauerstoff», sagt Bianchi fasziniert. Dafür tragen sie ein weisses Gewand, das sie vor Haien schützt.
EINE HERKULES-AUFGABE. Die Ama tauchen bis zu acht Meter in die Tiefe. Hier unten kommt das Licht kaum noch hin. Mit einem speziellen Werkzeug – eine Art Messer, Brechstange und Spachtel in einem – lösen sie die Meeresfrüchte vom felsigen Untergrund. Die Ausbeute ihrer Tauchgänge? Abalone-Muscheln, wilde Austern, Algen, Seeigel und Meeresschnecken. «Was sie finden, sind unfassbare Schätze, die in den besten Omakase-Restaurants serviert werden.» Kein Wunder, ist Luca Bianchi daran interessiert, diese Schätze auch seinen Schweizer Kunden anzubieten. «Ich versuche, eine Verbindung in die Schweiz herzustellen, damit auch die hiesige Gastronomie von den Produkten profitieren kann. Aber das wird eine Herkulesaufgabe, weil die Japaner ihren Markt sehr schützen.» Doch auch ohne diese Produkte im Sortiment war die Reise ein voller Erfolg. «Ich bin wirklich begeistert und mit extrem vielen neuen Eindrücken zurückgekommen. Das Land hat mich sehr inspiriert.»