Starchefs

Millionenschwere Top-Tunas für Top-Chefs

Der «Bluefin», bis 650 Kilo schwer, gilt als «König des Tunas». Starchefs ver­wen­den sogar Kopf und Karkassen!

Text: Daniel Böniger | 20. Januar 2025

Erst Konserve, dann Otoro. Den ersten Tuna des Lebens? In unse­ren Breitengraden ist es meist Thunfisch aus der Konservendose, den man in einer toma­ti­gen Pastasauce oder mit ordent­lich Mayonnaise im Sandwich isst. Erst spä­ter ent­deckt man Sushi – viel­leicht sogar mit dem kost­bar­sten Bauchstück, das Otoro genannt wird und im Idealfall vom Blauflossen-Thunfisch stammt. Es weist eine fei­ne Fettmarmorierung auf, die mit Wagyu ver­gli­chen wer­den kann. Jedenfalls merkt man schnell: Tuna ist nicht gleich Tuna, offen­sicht­lich gibt es da ver­schie­de­ne Qualitäten, Sorten und «Cuts».

Bluefin für 1,2 Millionen Franken. Eine Ahnung hier­von haben all die­je­ni­gen Gastronomen, die zu Neujahr in Japan jeweils an der tra­di­tio­nel­len Thunfisch-Versteigerung teil­neh­men. Dieses Jahr kam für umge­rech­net 1,2 Millionen Franken ein 278 Kilogramm schwe­rer Blauflossen-Thunfisch unter den Hammer! Die Gastrounternehmung Onodera sicher­te sich zum fünf­ten Mal infol­ge den Auktions-Fisch mit dem Höchstpreis – nicht zuletzt eine Marketingmassnahme, wie Fisch-Fachmann Luca Bianchi vom gleich­na­mi­gen Feinkost-Lieferanten weiss: «Wer ein sol­ches Prachtsexemplar erstei­gert, dem ist die Aufmerksamkeit der Medien sicher!»

Mediale Aufmerksamkeit garan­tiert: Der fü 1,2 Millionen in Tokyo erstei­ger­te Tuna.

Fachmann für Fisch: «Der Yellowtail macht 90 Prozent des Verzehrs aus.»

Gelbflossen-Tuna für Sushi. Fachmann Bianchi hilft auch gleich bei einer Einordnung der unter­schied­li­chen Tuna-Arten: Beim ein­gangs erwähn­ten Dosenfisch han­delt es sich in aller Regel um «Skipjack», auch «ech­ter Bonito» genannt. Er gehört zwar zur Familie der Makrelen und Thunfische, streng genom­men aber ist der ver­gleichs­wei­se klei­ne Fisch (maxi­mal 35 Kilogramm) nur ein naher Verwandter des­je­ni­gen Tunas, der bei uns fang­frisch ange­bo­ten wird. «Für Sushi und Sashimi wird in Europa meist Gelbflossen-Tuna ver­wen­det», erklärt Luca Bianchi. Der Yellowtail mache unge­fähr 90 Prozent des Verzehrs aus.

Familienunternehmen Balfego. Weitere Arten: der Weissflossen-Thunfisch, der in den USA beliebt ist, dann der sehr sel­te­ne Bigeye und nicht zu ver­ges­sen der Blauflossen-Tuna, den Bianchi als unbe­strit­te­nen «König der Tunas» bezeich­net. Nur rund ein Prozent der welt­wei­ten Fänge fal­len auf die­se Spezialität, nicht sel­ten wird sie im Mittelmeer aus dem Wasser gezo­gen. Gerade das in Spanien ansäs­si­ge Familienunternehmen «Balfego» (deren Tuna in der Schweiz exklu­siv von Dubno ver­trie­ben wird) hat das Verfahren für den Edelfisch per­fek­tio­niert: Erschöpft von sei­ner lan­gen Reise durch den Atlantik (er folgt den Fischschwärmen) wird der Tuna nahe Gibraltar ein­ge­fan­gen. In rie­si­gen, im Meerwasser frei schwim­men­den Zuchtbecken wird dafür gesorgt, dass er wie­der an Gewicht zulegt. Harpuniert und her­aus­ge­zo­gen wer­den die bis zu 650 Kilo schwe­ren «Brocken» erst, wenn eine Bestellung auf dem Tisch liegt. Durch die­se Vorgehensweise wird nicht zuletzt der Beifang von Delfinen und Walen ver­hin­dert, eines der gröss­ten Probleme bezüg­lich Thunfisch. Zudem ist es in den letz­ten Jahren, – auch dank den in Europa streng umge­setz­ten Quoten der ICCAT (International Commission for the Conservation of Atlantic Tunas) – gelun­gen, dass sich die Bestände deut­lich erholt haben.

Seit Jahren Fan von Balfego: Stefan Heilemann.

Balfego-Thunfisch, Gamba Blanca, Gurke, Dill & Meerettich by Heilemann.

Tuna-Carpaccio mit Entenmuscheln. Zu den Liebhabern des Edel-Tunas gehört Stefan Heilemann, 18 Punkte-Chef im «Widder» in Zürich, der 2010 die­se Delikatesse wäh­rend sei­ner Ferien in Portugal ent­deckt hat: «In der Vila Joya hat man mir lau­war­mes Tuna-Carpaccio mit Entenmuscheln und asia­ti­scher Vinaigrette ser­viert, das ich nie mehr ver­ges­sen habe!» Allerdings ver­gin­gen von da an noch zwei Jahre, bis er und sein dama­li­ger Chef Rolf Fliegauf im «Ecco» Ascona ihre Bezugsquelle gefun­den hat­ten und Balfego auf die Karte set­zen konnten.

Balfego: Am besten lau­warm. Bis heu­te arbei­tet er mit der spa­ni­schen Top-Firma – aus Überzeugung: «Unvergleichlich, wenn das fet­ti­ge, ver­gleichs­wei­se hel­le Otoro-Stück, leicht auf­ge­wärmt, auf kräf­ti­ge Säure von Zitrusfrüchten oder edlem Essig trifft.» Dass der Fisch unge­fähr 40 Grad haben soll, kommt nicht von unge­fähr: «Es ist wie bei Butter – erst leicht warm ent­fal­tet sich der gan­ze wun­der­ba­re Geschmack!», so Heilemann. Typisches Gericht beim Widder-Chef: Balfego und Gamba Blanca mit Dill, Gurke und Meerrettich als fri­sche, far­bi­ge Vorspeise.

Balfego-Tuna mit Daikon und Shishito-Pfeffer im Japanese Restaurant, Chedi Andermatt.

Die Zwillinge mögen Tuna – aus Europa: Fabio Toffolon (l.) und Dominik Sato.

«Taco mit Tuna». Mit Belfago arbei­ten auch die Zwillinge Fabio Toffolon und Dominik Sato. Im «Chedi» in Andermatt gibt es ihn bei­spiels­wei­se im «N25-Kaviar-Pop-up» auf dem Gütsch als Tatar; die Gäste wickeln das Fischfleisch zusam­men mit Shiso, Reis und Kaviar in ein Noriblatt, fer­tig ist der «Taco»! Im «The Japanese» gab es auch schon Tatar vom Bluefin-Ataki (Rückenstück mit wenig Fettanteil), das mit einem abge­flämm­ten Stück Chutoro (mit­tel­fet­ti­ges Bauchstück) belegt wor­den ist. Der Gast soll die unter­schied­li­chen Stücke direkt ver­glei­chen können.

Auch Japaner schwö­ren auf euro­päi­schen Tuna. Wieso ver­wen­den Toffolon und Sato in ihrem japa­nisch inspi­rier­ten Restaurant (18 Punkte) eigent­lich kei­nen Tuna aus Japan? Das wäre doch pas­sen­der? «Erstens ist die­ser bei uns nicht zu bekom­men», sagt Fabio Toffolon schmun­zelnd. Zweitens könn­te die Qualität auch dort nicht höher sein als bei Tuna von der ibe­ri­schen Halbinsel – nicht umsonst gehe der Grossteil des in Europa gefan­ge­nen Tunas nach Asien. Die Tiefkühlung des Fisches (in der Schweiz zur Bekämpfung all­fäl­li­ger Krankheitserreger vor­ge­schrie­ben) über­neh­men die Chedi-Zwillinge gleich sel­ber: «Wir wickeln den Fisch dafür in Klarsicht- und Alufolie – wir fin­den, dass er so sei­ne Farbe beim Auftauen bes­ser erhält als im Vakuumbeutel.»

Für beson­de­re Gelegenheiten bestellt Mike Wehrle den Bluefin ganz.

Die drei Qualitäten vom Bauchstück: Otoro, Chutoro & Akami (v.l.).

Nose to tail! Auch Backen und Kopf wer­den ver­wen­det. Akami (oft als «Loin» bezeich­net), Chutoro oder Otoro? Mike Wehrle mag alle drei «Cuts». Ein‑, zwei­mal pro Jahr bestellt der Culinary Director des Bürgenstock Resorts dar­um einen gan­zen Fisch für beson­de­re Anlässe. Der schwer­ste bis­her kam auf stol­ze 220 Kilogramm, «ein rie­si­ges Viech!». Auf Eis gela­gert in einer rie­si­gen Styroporkiste sei der Tuna gelie­fert wor­den. Glück hat­ten so die Köche des Hauses: Sie kamen in den Genuss des beson­ders saf­ti­gen, fett­rei­chen Stücks zwi­schen Kiemen und erster Flosse, das idea­ler­wei­se gegrillt wird. «Dazu braucht es nur noch eine Prise Maldon-Salz und Ponzusauce.» Aber auch Kopf und Karkassen wur­den ver­ar­bei­tet, zu einer kräf­ti­gen asia­ti­schen Fischbrühe. «Ein Bluefin ist ein Festessen», so Wehrle, «und soll es auch bleiben.»

Perfekter Lunch: Salade Niçoise. Ob dies ändern wird, wenn in vor­aus­sicht­lich zwei, drei Jahren Tuna auch gezüch­tet wer­den kann? Die Zukunft wird es wei­sen. Bis dahin darf es in der Alltagsküche auch bei Heilemann und Co. durch­aus auch mal Tuna aus der Dose sein: «Ein schö­ner Salade Niçoise mit gekoch­ten Eiern, grü­nen Bohnen, Kartoffeln, Tomaten und Thunfisch ist im Sommer doch wirk­lich ein per­fek­ter Lunch», sagt Stefan Heilemann.

Fotos: Nik Hunger/Helge Kilchberger/Imago/Olivia Pulver/Thomas Buchwalder/HO/Fabian Häfeli