Die Produzenten der Starchefs

Next Generation! «Loslassen muss man lernen»

Dario und Luca Bianchi haben das Lebenswerk ihrer Väter über­nom­men, füh­ren Bianchi in die fünf­te Generation.

Text: Kathia Baltisberger | 1. Dezember 2024

Sticheleien in der Familie. Giulio, 65, Paolo, 63, Dario, 34, und Luca Bianchi, 32, tref­fen sich zum Zwei-Generationen-Shooting auf dem Bianchi-Areal in Zufikon. Alle erschei­nen in den schnee­weis­sen Bianchi-Mänteln mit Hummer-Logo. Bei genaue­rem Hinsehen erkennt man bei Giulio und Paolo die Kugelschreiberstriche an den Brusttaschen. «Das ist ein Zeichen, dass wir etwas arbei­ten», spot­tet Giulio mit Blick auf Sohn Dario und Neffe Luca. Die bei­den lachen und neh­men es gelas­sen. Foppen gehört in der Famiglia Bianchi dazu.

Ohne ihn gäbe es die Bianchi AG heu­te nicht: Paolo Bianchi über­nahm das Geschäft vom Vater.
Paolo Bianchi hat das Departement Fleisch geführt. Neffe Dario ist sein Nachfolger.

Digitale Transformation. Das Fehlen der Kugelschreiberstriche bei den aktu­el­len Geschäftsführern könn­te auch Ausdruck sein für den Generationenwechsel, der in den ver­gan­ge­nen Jahren statt­ge­fun­den hat. Im Dezember 2021 haben Giulio und Paolo die Aktien – und somit das Zepter – ihren Söhnen über­ge­ben. Seither haben Luca und Dario Bianchi beim Traditionsunternehmen erfolg­reich die digi­ta­le Transformation herbeigeführt.

«Ich hat­te null Bock.» Dass die Firma Bianchi in die Hände der fünf­ten Generation über­geht, war nicht selbst­ver­ständ­lich. «Wir haben nie gesagt, unse­re Kinder müs­sen die Firma über­neh­men. Aber wir haben schon früh mit ihnen Gespräche dar­über geführt – auch mit Darios Schwestern», sagt Giulio. «Denn wir woll­ten die Übergabe immer machen, wenn wir noch gesund sind. Aber das ist nicht ein­fach, Loslassen muss man ler­nen.» Sein Bruder ergänzt: «Bei unse­rem Vater war das anders: Der hat plötz­lich gesagt: Ich kann nicht mehr, jetzt müsst ihr über­neh­men.» Damals hat sich Paolo gemel­det und das Geschäft über­nom­men. «Ich habe gehol­fen, woll­te aber nur ein Jahr blei­ben. Ich hat­te null Bock», erin­nert sich Giulio.

Verstehen sich pri­vat und wenn es um die Abteilung Fisch und Meeresfrüchte geht: Luca und Giulio Bianchi.

Die Bianchis vor dem Riesen-Pulpo im neu­en Eingangsbereich in Zufikon.

Geschäftsführer ist ein 24/7‑Job. Ob es für Dario und Luca wirk­lich das Richtige ist, das wuss­ten sie nicht von Beginn an. Denn der Job ist hart. «Ich konn­te mir nicht vor­stel­len, für den Rest mei­nes Lebens um 4 Uhr auf­zu­ste­hen. Also haben wir uns Zeit gege­ben, den Betrieb ken­nen­zu­ler­nen und uns dann zu ent­schei­den», sagt Dario. Lange haben sie aller­dings nicht gebraucht für die­sen Entschluss. «Was es braucht, ist Leidenschaft. Ohne das geht es nicht. Und man muss bereit sein 24/7 zu arbei­ten», weiss Paolo.

Er hat­te zuerst gar kein Bock auf das Familienunternehmen: Giulio Bianchi blieb trotz­dem 40 Jahre.

Ein per­fek­ter Red Snapper. Die Bianchi AG garan­tiert die beste Qualität.

Onkel & Neffe statt Vater & Sohn. Schon bei Giulio und Paolo waren die Aufgaben klar ver­teilt: Der Ältere küm­mer­te sich um den Fisch, der Jüngere war fürs Fleisch ver­ant­wort­lich. Auch die Söhne fol­gen die­ser Arbeitsteilung, aller­dings wird übers Kreuz gear­bei­tet, sodass immer Onkel und Neffe zusam­men­ar­bei­ten. «Wir haben alle Konstellationen aus­pro­biert, so klappt es am besten», sagt Luca Bianchi. «Vielleicht sagt man dem Neffen noch eher mal die Meinung als dem Sohn», ergänzt sein Vater.

Haben nichts gegen etwas Nestwärme: Die vier Bianchis posie­ren im Oldtimer.

Fürs Manövrieren des alten Autos braucht es Teamwork – gan­au wie im Betrieb.

Midnight Call von Peter Knogl. Ganz aus dem Betrieb raus sind Paolo und Giulio nicht. Einer von bei­den ist immer im Betrieb und küm­mert sich um lang­jäh­ri­ge Kunden. «Das macht kei­nen Sinn, die noch umzu­tei­len. Peter Knogl vom Trois Rois ruft mich immer um Mitternacht an, um sei­ne Bestellung durch­zu­ge­ben – ganz zum Unmut mei­ner Frau», erzählt Giulio. «Diese per­ma­nen­te Erreichbarkeit ist schon eine Herausforderung», sagt Luca.

«Das ist unse­re Stärke» Doch genau das ist das Geheimnis von Bianchi: die Kundennähe. «Unser Job ist zu 80 Prozent ope­ra­tiv. Geschäftsführeraufgaben erle­digt man über Mittag», sagt Dario Bianchi. Die neu­en CEOs sit­zen auch nicht in der Teppichetage, son­dern mit­ten im Knäuel in der Telefon- und Verkaufszentrale. «Das ist unse­re Stärke: Wir leben etwas vor und unse­re Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zie­hen mit. Egal, ob in der Produktion oder im Verkauf», sagt Paolo. Bianchi ist nicht nur nahe beim Kunden, son­dern auch beim Produzenten. «Unser Erfolg, vor allem in der letz­ten Generation, liegt dar­in, dass wir Direktimporteure aus aller Welt gewor­den sind und, wo immer mög­lich, auf den Zwischenhandel ver­zich­ten. Dadurch haben wir die Qualität stets unter Kontrolle», ver­si­chert Dario Bianchi.

Die 5. Generation hat über­nom­men: Die Cousins Dario und Luca Bianchi sind jetzt am Drücker.

Bianchi ist nicht nur tief in der DNA ver­an­kert, son­dern auch auf den Socken aufgedruckt.

Sonderwünsche und Extrawürste. Das System führt auto­ma­tisch dazu, dass die Kunden immer wil­de­re Wünsche anbrin­gen. «Als Eric Vildgaard vom Jordnær in St. Moritz gekocht hat, hat­te er ganz expli­zi­te Wünsche von einem Produzenten aus dem Norden Norwegens. Wir kann­ten den nicht und muss­ten alles in kür­ze­ster Zeit orga­ni­sie­ren. Am Ende hat alles geklappt und wir haben einen neu­en Produzenten, mit dem wir immer noch arbei­ten», erzählt Paolo. «So ist das auch beim Epicure im Dolder. Die spe­zi­el­len Wünsche der Weltstars, die dort kochen, sind eine Herausforderung, aber wir ler­nen auch immer extrem viel», ergänzt Luca Bianchi. Und dann gibt es noch die absur­den Wünsche. «Der Fotograf Alberto Venzago bat mich, die gröss­te Auster der Welt zu orga­ni­sie­ren. Er woll­te sei­ne Muse in der Badewanne foto­gra­fie­ren und die Auster soll­te ihren Intimbereich ver­decken», erzählt Giulio. Bei der Firma Bianchi hat man defi­ni­tiv schon alles erlebt.