BIANCHI ON THE ROAD

Walfett & Schneehuhn: Luca Bianchi in Grönland

Die Anreise ist aben­teu­er­lich, das 18-Gänge-Menü spek­ta­ku­lär. Luca Bianchi im Restaurant Koks auf Grönland.

Text: GaultMillau | 25. September 2024

«Koks» in Grönland. Es ist das abge­le­gen­ste Restaurant der Welt: das «Koks». Eigentlich befin­det sich das Zwei-Sterne-Restaurant auf den Färöern Inseln. Das ist schon recht abge­le­gen. Doch in den ver­gan­ge­nen drei Jahren zogen Küchenchef Poul Andrias Ziska und sein Team noch wei­ter weg. Und zwar nach Grönland. Ein spon­ta­ner Besuch ist unmög­lich und Laufkundschaft gibt es schon gar nicht im Lokal mit gera­de mal 30 Plätzen. Und trotz­dem gibt es zahl­rei­che Gäste, die den Weg ger­ne auf sich neh­men. Einer von ihnen ist Luca Bianchi, Co-Geschäftsführer der Bianchi AG. Luca ist im Betrieb ver­ant­wort­lich für die Abteilung Fisch und Seafood und reist mehr­mals im Jahr als Food-Scout in fer­ne Länder, um neue Produkte und Produzenten zu besuchen.

Das Restaurant Koks befin­det sich seit drei Sommern auf Grönland.
Der Weg dort­hin ist lan­ge und aben­teu­er­lich. Von Illiussiat aus geht es mit dem Boot weiter.

Robben-Blutwurst & Elch-Innereien. «Ich war schon ein­mal im Koks auf den Färöern. Ich war so begei­stert, dass wir eini­ge Produkte wie Seeigel ins Sortiment auf­ge­nom­men haben», sagt Luca Bianchi. Das neue Koks befin­det sich in Ilimanaq, einem 50-Seelen-Dorf an der Westküste Grönlands, über 300 Meter nörd­lich des Polarkreises. Die Vegetation hat einen gros­sen Einfluss auf die hier erhält­li­chen Produkte. Obst und Gemüse sind Mangelware, dafür gibt es viel Fisch und ande­re Delikatessen aus dem Meer. «Mir ist zu Ohren gekom­men, dass Ziska Robben-Blutwurst, Möwenflügel, Walfisch oder Elch-Innereien ser­viert. Das woll­te ich natür­lich auf gar kei­nen Fall ver­pas­sen.» Also macht sich Luca Bianchi zusam­men mit sei­ner Freundin Deborah Pranjes auf den Weg nach Grönland – mit Zwischenstopps in Kopenhagen, Oslo und Reykjavik.

Im Dörfchen Ilimanaq leben gera­de mal 50 Menschen.
Luca Bianchi rei­ste mit sei­ner Freundin Deborah nach Grönland.

Abenteuerliche Anreise im ewi­gen Eis. Von Island aus fliegt man zur Nato-Basis Kangerlussuaq auf Grönland. Von dort fliegt man mit einer klei­nen Propellermaschine wei­ter nach Illiussiat. «Auf hal­bem Weg muss­ten wir noch zwi­schen­lan­den, um einen Arzt mit­zu­neh­men, der im «Nachbarsdorf» Hausbesuche macht», so Bianchi. Von Iliussiat geht es per Boot wei­ter nach Ilimanaq – ein erstes Highlight der Reise: «Die Natur, vor­bei an gros­sen Gletschern, Eisfeldern, Eisbergen und Eisschneisen war schlicht­weg atem­be­rau­bend.» Dass auf der Anreise alles glatt läuft, ist nicht selbst­ver­ständ­lich. «Die Inlandflüge wer­den oft auf­grund extre­mer Wetterbedingungen ver­scho­ben. Doch wir hat­ten gros­ses Glück und konn­ten den engen Zeitplan einhalten.»

Mattak ist ein tra­di­tio­nel­les grön­län­di­sches Gericht aus Walfett. Im «Koks» gibts eine eige­ne Version davon.

Das Restaurant ist gemüt­lich ein­ge­rich­tet. Gut so, ein Essen kann schon mal bis zu sechs Stunden dauern.

Comfort Food Walfett. Doch gekom­men ist Luca Bianchi nicht wegen der Aussicht, son­dern wegen Chef Ziska und sei­nem aus­ser­ge­wöhn­li­chen Menü. Zum Start die­ser kuli­na­ri­schen Reise gab es gleich mal einen Grönlandwal. Etwa 10’000 Exemplare leben in der Arktis. Zwei von ihnen dür­fen pro Jahr getö­tet wer­den. «Wir beka­men Mattak. Dabei han­delt es sich um ein Gericht aus rohem Walfett, das mit der Haut ser­viert wird. Es schmeck­te über­haupt nicht fischig, son­dern eher nuss­ig», erin­nert sich Bianchi. Mattak ist übri­gens ein belieb­ter Comfort Food bei den Grönländern. Im «Koks» wer­den ins­ge­samt 18 Gänge ser­viert. «Man spürt, dass die Nachhaltigkeit hier einen hohen Stellenwert hat. Das Serviceteam erklärt ganz genau, wel­che Produkte von wel­chem Fischer, Jäger oder Sammler kommt.

Unterschätzt: Luca Bianchi will die Stinte wie­der mehr pushen.

Spektakulär: Das Schneehuhn am Federspiess.

Schneehuhn und Seevogel. Poul Andrias Ziska, der unter ande­rem im Geranium in Kopenhagen koch­te, hat hier die Möglichkeit mit ganz aus­ser­ge­wöhn­li­chen Produkten zu arbei­ten. «Wenn Sie nach Grönland gekom­men sind, um die Kultur und das Essen zu erle­ben, dann müs­sen Sie sich dar­auf ein­las­sen. Es geht mir nicht dar­um, die Leute zu pro­vo­zie­ren. Aber sie soll­ten dar­über nach­den­ken, woher ihr Essen kommt und wie es auf den Teller kommt», sagt Ziska im «Telegraph». Verschiedene Wildvögel wie das ech­te Schneehuhn oder der Guillemot – eine Art Seevogel – lan­den auf Bianchis Teller. Beide Vögel gehö­ren zu den Signature Dishes des Hauses. «Das Schneehuhn wur­de uns sogar an der Feder als Geflügelspiesschen ser­viert», resü­miert Bianchi beeindruckt.

Schon bald bei Bianchi. Neben Wildgeflügel gibt es auch viel aus dem Meer. «Die Eismeergarnele hat eine ganz gla­si­ge Konsistenz und einen süss­li­chen Geschmack. Dann gab es Stinte, ein Fisch, der bei uns etwas aus der Mode gekom­men ist. Aber in Japan hat er an gros­ser Bedeutung gewon­nen», weiss der Fischexperte. Der Kapelan ist fet­tig, die Struktur zart und der Geschmack nuss­ig. Um 23 Uhr, wenn der letz­te Gang ser­viert wird, ist es draus­sen immer noch hell. Zurück in wär­me­re Gefielde müs­sen Luca und Deborah nicht mehr, denn geschla­fen wird in einer zum Restaurant gehö­ren­den Lodge. Und Luca Bianchi denkt bereits dar­an, wel­che Produkte für sei­ne Kunden in der Schweiz inter­es­sant sein könn­ten. «Walfisch wer­den wir wohl nie in unser Sortiment auf­neh­men kön­nen, aber die Stinte wer­de ich auf jeden Fall wie­der fördern.»