Bianchi –
Die fünfte Generation
Ein Interview mit Luca und Dario Bianchi
Dario Bianchi (links) und Luca Bianchi (rechts)
Freshest Food: Ihr seid jetzt die fünfte Generation Bianchi im Unternehmen. Hattet Ihr überhaupt eine Wahl? Oder ist das nicht automatisch, in einem Familienbetrieb, dass der Nachwuchs irgendwann einmal übernimmt?
Dario: Wir hatten dieses Thema familienintern schon relativ früh aufgegriffen, schon als wir im Gymi waren und haben es auch während unserem Wirtschaftsstudium laufend gepflegt. Die Wahl hatten wir immer, unsere Väter sagten immer, dass wir nicht müssten, wenn wir nicht wollten. Aber wir gehen es vorsichtig an, wollen auch schauen, wie wir beide überhaupt funktionieren zusammen, wenn man plötzlich den ganzen Tag zusammen verbringt.
FF: Ist es nicht auch eine Bürde, das Erbe der Väter und Grossväter anzutreten?
Luca: Klar, einerseits ist es eine Riesenchance, die wir hier bekommen, andererseits auch ein Riesenchallenge und sehr viel Verantwortung, die mit dieser Aufgabe einhergeht. Eine Bürde würde ich das nicht nennen, aber wir sind uns der Verantwortung bewusst, und wir freuen uns extrem auf das, was kommt.
FF: Ihr habt das Unternehmen von Kindsbeinen an miterlebt, dann Wirtschaft studiert. Wie seht ihr Bianchi aus der Sicht eines Wirtschaftsstudenten?
Dario: Als Kind hatte ich das Geschäft natürlich idealisiert, dachte, alles laufe immer perfekt, und jetzt, als wir eingetreten sind gibt es schon Prozesse, die wir irgendwann dann mal modernisieren möchten. Aber wir waren nie so naiv, zu glauben, das theoretische Wissen und die gelernten Wirtschaftsmodelle aus dem Studium könnten wir nun eins zu eins umsetzen.
Luca: Es ist schon ein grosser Unterschied von der Theorie zur Praxis. Du kommst in ein Unternehmen und wirst erst einmal ins kalte Wasser geworfen. Du startest wieder bei Null. Der Markt ist viel umkämpfter, als wir uns das vorgestellt hatten, dann das Produkte Know-How, da bringt Dir das Wirtschaftsstudium nicht viel, oder beim Einkauf, all die Parameter, das kommt erst mit der Erfahrung, da haben wir noch einen langen Weg vor uns. Aber darauf freuen wir uns natürlich auch.
FF: Was fasziniert Euch denn an der Branche?
Dario: Es ist sehr schnelllebig, sehr umkämpft, jeder Kunde muss so behandelt werden, dass er morgen gerne wieder kommt. Der Preiskampf ist auch enorm, Du musst immer am Ball bleiben, kannst Dich nie auf den Loorbeeren ausruhen. Wir verkaufen ja keine Produkte mit einem Patent oder so, die nur wir anbieten. Dieser Wettbewerb beeindruckt mich.
Luca: Ich finde Lebensmittel als Produkt extrem spannend, das ist etwas, wo wir wirklich dahinter stehen können, etwas, was wir selber auch gerne konsumieren. Wenn ich da an unsere Kollegen vom Studium denken, die in die Beratung gingen, dort irgendwelche Dienstleistungen verkaufen, da finde ich es schön, dass wir etwas Handfestes verkaufen können, etwas was die Leute jeden Tag brauchen.
FF: Jetzt seid ihr ja auch aus einer Generation, in der immer mehr Leute Veganer sind. Müsst Ihr Euch bei denen jetzt dauernd entschuldigen, dass ihr Tierprodukte verkauft?
Dario: Ich mag diese Diskussionen, ich versteh auch, wenn jemand vegan leben möchte, das ist eine Entscheidung, die jeder für sich treffen muss. Bianchi legt einen sehr grossen Wert auf Nachhaltigkeit, auf artgerechte Haltung, wir haben eine Position, in der wir uns dafür einsetzen können.
Luca: Wir haben ja auch sehr viele vegetarische Produkte in unserem Sortiment. Diesen Trend nehmen wir natürlich auf, das ist klar. Gleichzeitig arbeiten wir nur mit Produzenten zusammen, die all diese aktuellen Standarts auch verfolgen. Unsere Kunden wissen und schätzen das auch.
FF: Ist die politische Dimension in dieser Branche vielleicht grösser als in anderen Branchen?
Luca: Lebensmittel ist ein sehr emotionales Produkt. Viele Leute sind auch nicht genügend informiert, sie denken, jeder Thunfisch ist beim WWF auf der roten Liste. Aber es gibt so viele verschiedene Thunasorten, und wir schauen wirklich, dass wir nur zertifizierte Produkte einkaufen, gerade im privaten Umfeld müssen wir da immer wieder Aufklärungsarbeit leisten. Es ist ein sensibles Thema. Im geschäftlichen Alltag sehen wir aber, dass es den meisten unserer Kunden klar ist, und dass sie nicht zuletzt deswegen unsere Kunden sind.
FF: Was sind Eure persönlichen Lieblingsprodukte von Bianchi?
Luca: Ich liebe unsere Dry Age Produkte, die sind wirklich cool. Da ist eine Geschichte dahinter mit unserem eigenen Reiferaum mit der Salzwand, man kann hier auch selber Produkte entwickeln, sie sehen schön aus, sind auch etwas fürs Auge, etwas für den Geschmack, das nehm ich sehr gerne auch privat mal nach Hause.
Dario: Mir gefallen vor allem unsere Produit Régional Reihe, die wir aufgebaut haben, wo wir zusammen mit Partnern zum Beispiel eigene Ställe im Appenzell betreiben, oder unsere Alpstein Poulets, oder Kälber aus CO2neutraler Zucht, die ganze Regionalisierung der Produktion macht mir extrem Spass. Da können wir ganz konkret positiven Einfluss auf die gesellschaftlichen Entwicklungen nehmen.
FF: Das ist auch ein Vorteil Eurer Generation. Ihr seid mit dieser Sensibilisierung aufgewachsen. Eure Grossväter würden das vielleicht nicht verstehen.
Dario: Unsere Väter sind heute schon auch entsprechend sensibilisiert. Aber sie mussten das im Gegensatz zu uns erst lernen. Am Anfang dachte ja jeder, das Thema Nachhaltigkeit und Regionalität sei bloss ein Marketing-Gag, man müsse das deshalb halt einfach machen. Aber ich glaube, heute sieht jeder, dass es Sinn macht.
FF: Gibt es trotzdem Produkte, die Ihr gerne führen würdet?
Luca: Wir haben ja schon über dreitausend Produkte im Sortiment, da ist es schwierig, jetzt so spontan etwas zu nennen.
Dario: Mir kommen ein paar Produkte in den Sinn, aber die liegen zurzeit noch nicht in unserer Kernkompetenz, da müssten wir zuerst entsprechendes Know-How aufbauen. Aber ich denke da zum Beispiel an Gewürze, oder Nüsse, wo man wie an einer Börse dann zum Beispiel Mandeln handelt.
Luca: Das ist auch eine stetige Entwicklung, wenn man sieht, was wir in den letzten Jahren zum Beispiel mit italienischem Käse aufgebaut haben, wo wir mittlerweile der Burrata-Lieferant fast für die ganze Schweiz sind. Oder Taleggio, Parmesan oder andere italienischen Käse, die wir direkt importieren, das ist ein Riesenerfolg. Wenn man das sieht, gibt es auch Mut, neue Ideen anzupacken. Dario und ich betreuen zurzeit den Bäckereien-Markt und haben gesehen, dass dieses Segment eine Unmenge an Mandeln und Nüssen benötigt, da kommen einem dann schon Ideen, vielleicht in diesem Bereich einmal etwas zu machen, dort Kompetenz aufzubauen. Aber das sind momentan noch Gedankenspielereien, dass wenn wir schon den Thon oder Lachs liefern, vielleicht auch noch die Nüsse liefern zu können.
FF: Jede Generation entwickelt das Unternehmen ja auch weiter. Der Umzug nach Zufikon, oder jetzt der eigene Biodiesel-Tank, der den Triebstoff für die Wagenflotte liefert, das sind alles Erweiterungen, auch Weiterentwicklungen der Philosophie.
Luca: Es ist schon nicht unsere Ambition, irgendwann einmal einfach nur das Erbe zu verwalten. Wir werden uns zu gegebenem Zeitpunkt sicher Gedanken darüber machen, was wir einbringen können.
Dario: Das ist aber auch eine Geduldsfrage, wir haben nicht das Gefühl, alles umkremepn zu müssen. Zuerst müssen wir uns jetzt Fachwissen aneignen, lernen, wie alles läuft. Aber wir machen uns schon die eine oder andere Notiz, irgendwie ist es auch unsere Aufgabe als Junioren, neue Ideen zu haben und frischen Wind hineinzubringen.
FF: Jetzt sind Eure Chefs auf gleichzeitig Eure Väter. Das machts nicht immer einfacher. Gibt es da dann nicht auch Konflikte, wenn ihr beim Nachtessen über Eure Ideen redet?
Dario: Klar gibt es Diskussionen. Da dürfen wir uns jederzeit einbringen. Am Schluss entscheiden aber natürlich immer unsere Väter. Aber wir fordern sie gerne immer wieder mal ein bisschen heraus.
Luca: Es gibt Ideen, die fallen sofort auf fruchtbaren Boden, die werden dann auch umgesetzt. Aber es gibt auch Ideen, wo wir in diesen Diskussionen merken, dass sie gar nicht so gut sind, die lassen wir dann wieder fallen. Diese Auseinandersetzungen mit unseren Vätern bringt uns enorm viel. Wir lernen so jeden Tag eine ganze Menge.
FF: Wo seht ihr Bianchi in der Zukunft?
Luca: Ich denke, dass die Sozio-Demografische Entwicklung eine grosse Herausforderung darstellen wird. Wird es immer genug qualitativ einwandfreie Lebensmittel für die immer grösser werdende Population haben? Welche Produkte werden in Zukunft konsumiert werden? Wie werden sie konsumiert werden? Ich glaube, solchen Fragen werden wir uns stellen müssen, da müssen wir Antworten finden.
Dario: Die Technologie verändert sich auch rasant. Das wird zum Beispiel auch die Auslieferung beeinflussen. „Blockchain“ ist eine andere Thematik, die uns beschäftigt.
Am Schluss geht es aber immer um die Kundenzufriedenheit. Das ist unser Massstab. Wir wollen auch in Zukunft das Unternehmen mit den zufriedensten Kunden sein. Egal, wie sich die Rahmenbedingungen ändern.