Starchefs

Ein 100-Kilogramm-Heilbutt für Stefan Jäckel

Grossereignis im Zürcher «Storchen»: Am Morgen wird ein Riesenfisch ange­lie­fert, file­tiert und auch serviert.

24. August 2021
Text: David Schnapp Fotos: Thomas Buchwalder

Wildes Norwegen. «Er ist da!», ruft kurz vor zehn Uhr mor­gens einer in der Küche, und eine Minute spä­ter steht die hal­be Mannschaft unten in der Storchengasse. Im Lieferwagen von Fischspezialist Bianchi liegt sozu­sa­gen das Grossereignis die­ses Tages: 99 Kilogramm Hippoglossus hip­poglos­sus steht auf dem Lieferschein, ein Prachtexemplar von einem weis­sen Heilbutt, wild gefan­gen in Norwegen, übers Wochenende in die Schweiz gebracht und nun vor die Küchentür von Stefan Jäckel im «The Living Circle»-Hotel Storchen geliefert.

Mit ver­ein­ten Kräften: der 100-Kilogramm-Fisch wird erst auf einen Rollwagen…
… und dann auf die Arbeitsplatte gewuchtet.

Fisch auf Eis. Nun muss es schnell gehen, der auf Eis trans­por­tier­te Fisch soll so schnell wie mög­lich in die Küche gebracht, um dort fach­ge­recht zer­legt zu wer­den, «damit er eis­kalt bleibt», wie 17-Punkte-Koch Jäckel sagt. Allein, das ist gar nicht so ein­fach, 99 Kilogramm sind buch­stäb­lich ein dicker Fisch. Es braucht meh­re­re Köche, um den Heilbutt auf ein Rollmöbel zu wuchten.

«Mein erstes Mal!» Kurz dar­auf liegt der Fisch, der ohne Kopf und Innereien ange­lie­fert wur­de, auf der Arbeitsfläche, der rich­ti­ge Moment für vie­le Mitarbeiter, um ein paar Handyfotos fest­zu­hal­ten. «Das ist auch mein erstes Mal», sagt Stefan Jäckel über die Aufgabe, ein Exemplar die­ser Grössenordnung zu file­tie­ren. Der Vorteil bei Plattfischen sei aller­dings, dass kei­ne Gräten zu zup­fen sei­en, und die Anatomie sei bei klei­nen Fischen nicht anders als bei ganz gros­sen. Mit einem lan­gen schar­fen Messer schnei­det der Küchenchef mit schnel­len Schnitten erst dem Hauptknochen ent­lang, und trennt dann nach und nach die ein­drück­lich dicken Filetstücke von der Karkasse.

Schnell und rou­ti­niert zer­legt Stefan Jäckel den «dicken Fisch» in der «Storchen»-Küche.

Besondere Qualität. Schon weni­ge Minuten spä­ter wer­den die ersten Filetstücke por­tio­niert. «Unser Vorteil ist, dass wir auch einen so gros­sen Fisch in kur­zer Zeit ver­wer­ten kön­nen», erklärt Stefan Jäckel. «Wenn man so etwas nicht frisch in weni­gen Tagen ver­kau­fen kann, ist es ja scha­de um das Tier», so der Koch. Damit der Heilbutt ein paar Tage frisch bleibt, wird er auf Eis gela­gert, das zwei­mal täg­lich aus­ge­tauscht wer­den muss. Der Heilbutt, der bis zu dreis­sig Jahre alt wer­den kann, ist aller­dings nicht nur sehr gross, son­dern auch von beson­de­rer Qualität: «Man sieht, dass das ein wil­der Fisch war, das Fleisch ist mus­ku­lös und fest», sagt Stefan Jäckel.

Gedämpft, pochi­ert, kon­fiert. In der Rooftopbar «The Nest» gibt es schon mit­tags im Körbchen gedämpf­te Heilbuttfilets, bestri­chen mit etwas Misopaste und ser­viert auf ori­en­ta­li­schem Cous-Cous. Jäckel selbst berei­tet für sei­ne «Rôtisserie» zum Lunch in Vanillebutter kon­fier­ten Heilbutt mit Escabeche, fri­schen Kräutern und Chorizo zu. Für das Abendmenü setzt der talen­tier­te Koch eine «Empfehlung» auf die Karte: In Algen-Fond lang­sam pochi­er­ten Heilbutt (25 Minuten bei 52 Grad) an einer raf­fi­nier­ten, jodi­gen Kaviar-Algen-Beurre-blanc und dazu etwas Kartoffel-Crunch und Minifenchel.

Fertig fürs Abendmenü: pochi­er­ter Heilbutt mit Kaviar-Beurre-blanc und Mini-Fenchel von Stefan Jäckel.

300 bis 400 Portionen. Aus 99 Kilogramm Heilbutt gibt es «rund 300 bis 400 Portionen», rech­net Stefan Jäckel vor. Das so genann­te Kranzfleisch ist wegen sei­nes hohen Fettanteils ide­al für Fischfarcen, die Abschnitte lan­den in der Bouillabaisse und die Knochen sind die Basis für einen aro­ma­ti­schen Fischfond. So gese­hen, ist der weis­se Heilbutt aus Norwegen nicht nur wegen sei­ner schie­ren Ausmasse spek­ta­ku­lär, son­dern auch ein nach­hal­ti­ges Ereignis für so einen ver­sier­ten Koch.